WIM WENDERS ÜBERS ORPHÉE

Aviso Einkehr

— Vom süssen Leben im Hotel Restaurant Orphée in Regensburg

Es gibt ein paar berühmte klassische Kaffeehäuser in der Welt.
Wenn Sie je eines besucht haben,
kennen Sie das einzigartige Gefühl,
dort zu sitzen, Zeitung zu lesen,
einfach nur aus dem Fenster zu schauen
und die Passanten zu beobachten,
dabei den Frühstückskaffee zu schlürfen,
oder ein letztes Glas Wein am Abend zu trinken…
Nirgendwo ist das Innehalten und süße Nichtstun angenehmer.
Ein bestimmtes Lebensgefühl ist untrennbar mit diesen Orten verbunden:
Eine Leichtigkeit des Seins,
aber eine, die mit einer gewissen ReLektion und Kontemplation einhergeht,
mitten in der Welt und doch außen vor.

Solche Kaffeehäuser gibt es in all den großen Städten,
die zum Flanieren einladen:
das Deux Magots in Paris.
das Einstein in Berlin.
das Hawelka in Wien.
das Balthazar in Soho.
das Caffé Roma in San Francisco, usw…

Wer würde erwarten,
in einer verhältnismäßig kleinen süddeutschen Stadt,
beim Schlendern durch die Altstadt,
auf genau so ein Café zu stoßen,
das sich mit den oben genannten durchaus messen kann.
Doch, das gibt es: es ist das Orphée in Regensburg.
Sie müssen bloß die Untere Bachgasse hoch laufen,
dann können Sie es gar nicht verpassen!
Das Orphée ist einfach unverkennbar.
Sie denken, ich übertreibe jetzt? Oh nein!
Als ich mich da zum ersten Mal hineingesetzt habe,
habe ich auch erst mal nur ungläubig um mich geschaut.
Ein Déja Vu?
Wo war ich?
War ich hier nicht schon mal vorher gewesen?
Ich fühlte mich vom ersten Moment an zu Hause,
als ob ich schon Stammgast sei.
(Sogleich wissend, daß ich es unvermeidlich würde…)

Das waren die Thonet Wiener Kaffeehaus-Stühle und Tische,
das waren die Spiegel,
die holzvertäfelten Wände,
die alten französischen Plakate,
die Tageszeitungen in den altmodischen Klemmhaltern…
Aber vertraut war auch die Art und Weise,
wie der Ober an den Tisch trat, die weiße Schürze umgebunden,
und gleich danach war es auch die Speisekarte,
dann erst recht der Kaffee, den ich dann bestellt habe,
oder am Abend, an dem ich natürlich gleich wiedergekommen war,
die abendliche Speise- und Weinkarte.
(Ja, meinen Lieblingswein aus dem Burgund gab es auch,
wie selbstverständlich!)

Aber die Vertrautheit konnte nicht an einer Einzelheit ausgemacht werden.
Es war alles zugleich, auch das Licht,
und auch der Geruch
und die Geräusche.
Es war, wie die Zeit hier verging.

Wie oft ich seitdem ins Orphée zurückgekehrt bin, weiß ich nicht.
(Kennen Sie das, wenn man schon beim Beschreiben Heimweh bekommt?)
Und irgendwann gehörte zum Kaffehaus und Restaurant
dann auch ein wunderbares kleines Hotel,
das dem Ruf des Hauses in keiner Weise nachstand.

Und natürlich gibt es so einen Ort nicht ganz von allein.
Da gehört auch eine Stadt dazu,
die so ein Lebensgefühl möglich macht.
Wenn Sie Regensburg kennen, brauche ich Ihnen nichts zu erzählen.
Dann wissen Sie… Römische Siedlung, Bischofsstadt…
Wenn Sie die Stadt nicht kennen,
machen Sie sich auf ein kleines Wunder gefasst,
auf eine traumhafte italienische Stadt,
(die Altstadt ist Unesco Welterbe)
aber eben nicht in der Toskana,
sondern an der Donau.

Wenn Sie dann das erste Mal durch Regensburg ziehen,
schließlich kein Bein mehr vors andere kriegen,
schon stundenlang herumgewandert
und aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen sind,
dann wissen Sie ja jetzt, wo Sie sich ausruhen können.